Wageningen ist ein unwahrscheinlicher Ort für eine Revolution. Die Kleinstadt liegt etwas abseits an einem Seitenarm des Rheins, etwa 50 Kilometer östlich von Utrecht. Es gibt eine kleine backsteinerne Kirche, ein paar Festungsruinen aus dem 16. Jahrhundert und 37000 Einwohner. Nicht einmal einen eigenen Bahnhof hat die Stadt. Aber laut dem QS World University Ranking die beste Landwirtschaftsuniversität der Welt: die Wageningen University & Research. 11000 Studierende und 5000 Angestellte arbeiten dort, um sicherzustellen, dass die Menschen auch künftig genug zu essen haben.
Es wird daran geforscht, wie sich Algen als Treibstoff und Lebensmittel nutzen lassen; wie man chemische Pestizide durch Insekten ersetzt; wie Hightech-Gewächshäuser entstehen können, die ohne Erde auskommen. Aber kaum ein Thema gilt derzeit als so vielversprechend wie die Robotik.
Als Rick van der Zedde, 38, nach seinem Vortrag bei der jährlichen Messe für Agrar-Investoren die Bühne verlässt, dauert es fast eine halbe Stunde, bis er sich von all den Leuten losreißen kann, die zu ihm kommen. Vertreter großer Industrieroboterhersteller stecken ihm ihre Visitenkarten zu, Wissenschaftler wollen über Projekte reden - und über Robotik. Dabei geht es weniger um Automatisierung und mehr um Informationen, die über Kameras und Sensoren gesammelt werden können. 60 Forscher arbeiten in Wageningen inzwischen in dem Bereich.
Wer über die Zukunft der Landwirtschaft redet, kommt am Fleisch nicht vorbei: an der fast grotesken Ineffizienz der Fleischproduktion, die unglaubliche Flächen in Anspruch nimmt. Fast 30 Prozent der eisfreien Erdoberfläche dienen der Viehwirtschaft, ein gutes Drittel aller Nutzpflanzen wird an Tiere verfüttert, 15500 Liter Wasser werden benötigt, um ein Kilo Fleisch herzustellen. Trotz dieses Aufwands trägt Fleisch nur mit 18 Prozent zur weltweiten Kalorienzufuhr des Menschen bei. Das Problem: Wir mögen es zu gern.
"Sehr viele Menschen schätzen die Textur von Fleisch, diese bestimmte Art der Faserigkeit, wie weich es ist und saftig", sagt Atze Jan van der Goot. "Wenn wir ihnen etwas bieten können, das sich genauso anfühlt, dann werden sie eher bereit sein, darauf zu verzichten." Van der Goot ist Lebensmittelingenieur und arbeitet seit 16 Jahren an einer Maschine, die etwas schafft, was lange nahezu unmöglich schien: die Konsistenz eines Steaks zu imitieren. Acht verschiedene Versionen des Apparates hat er in den vergangenen Jahren gebaut, alle sehen aus wie die Hightech-Versionen eines Mixers. In einem Tiefkühler bewahrt er das künstliche Fleisch auf, hergestellt aus Sojaproteinen. Es sind große, rechteckige Lappen, die eine etwas gräuliche Färbung haben.